4. Tag, von Håcksvik nach Börstig, 92,6 Km

Heute etwas mehr Text, aber auch mehr Bilder. 

92,6km, davon 70km auf einer ehemaligen Bahnstrecke. Mit günstigem, also nicht behindernden Wind kommt man gut voran. Wir haben einen Stundenschnitt (in Bewegung) von fast 20km erreicht. Klar, Rennradler werden darüber vielleicht müde lächeln, aber wir sind ja keine Rennradler. Wir konnten wieder mit vielen Sinnen genießen.

Riechen: Der Geruch von Nadelwald, frisch gemähte Wiesen, leicht süßlicher Geruch von Lupinen und anderen Blühern, ab und zu einen Bauernhof.

Hören: Nichts (das muss man erst mal erleben). Aber es stimmt natürlich nicht ganz. Doch gibt es Stellen, da hört man nichts, kein Auto, kein Flugzeug oder sonst etwas, was Lärm macht. Manchmal das Summen von Insekten. Ja....wir sind nicht mehr 20 und im Allgemeinen und im Besonderen (sagen manche) ist das doch mit dem Hören.... Wir sagen: in dem Alter hören wir nicht mehr auf alles!

Schmecken: Es gab wieder die schon gewohnte, ersehnte  geplante Kaffeepause.

Fühlen: ca. 23°C bei herrlichem Sonnenschein, was uns nochmal das Thema "Warmduscher" aufgreifen lässt. Wir tragen ab sofort textilen Sonnenschutz. Wir haben nicht in Seen gebadet.

Bahnradweg: 70km, durch tolle Landschaften, an Seen entlangschlängelnd, durch Schneisen zwischen Felsen führend, auf einem hohen Damm oder durch grüne Wiesen, manchnal kilometerlang geradeaus. Premium-Radweg, glatt asphaltiert, kein Schlagloch (unglaublich). Die Reifen summen auf dem Asphalt, Gelegenheit seine Gedanken schweifen zu lassen. Hans sinniert über Bill Ramsey und den Song "Autobahn" von der Elektropopband Kraftwerk. Mir (Wolfgang) fällt Christian Anders ein. Bitte jetzt mal einen Song von diesem Herrn raten und dann mal googlen - beim Suchergebnis kommt sicher auch ein Bild mit. Und falls ihr einen Song findet (aus dem Jahr 1972), der einen Bezug zur eben beschriebenen Bahntrasse haben könnte, dann bleibt bitte nur beim Titel. Nun ja: Solche Strecken lassen tiefe Erkenntnisse zu... Verfolgen wir das nicht weiter. Konrad hört das Hörbuch "Homo Deus - Eine Geschichte von Morgen" von Yuval Noah Harari. Ganz kurz gefasst: Wie könnte sich der Mensch, die Menschheit und damit die Gesellschaft aufgrund ihrer durch die Evolution erworbenen Fähigkeiten entwickeln. Das passt zu diesem Bahnradweg. Mir fällt dann noch "Bahnwärter Thiel" ein, von Gerhart Hauptmann. Die Novelle lässt sich gut in der Entstehungszeit dieses Bahndamms verorten. Ein Psychodrama, was wieder so ungefähr zu Christian Anders passt, wenn man sich den ganzen Strophentext vornimmt. Vielleicht reizt es jetzt den ein oder anderen Leser dieses Blogs nochmal tiefer in die Schulliteratur einzusteigen.

Und da war ja noch Bill Ramsey (gest. 2021). Hans reimt: Ohne Kaffee kommt der Konrad nie ans Ziel....

Wir suchen das nächste Café auf.

Direkt an der Bahntrasse gelegen: Eine Grillhütte, Sitzbänke und Tische im Freien, eine Tischtennisplatte, ein perfekt eingerichteter Kinderspielplatz, Toilettenhäuschen und Dusche. In der Grillhütte Feuerholz, " Brandbeschleiniger", Infomaterial, Spielgeäte, Beleuchtung, einen Kalender, in den man sich zur Nutzung der Grillstelle eintragen konnte. Alles wie neu, dabei war das Baujahr der Einrichtung wahrscheinlich 2007 (Schild).

Was uns verblüfft hat: An dieser Grillhütte war keine einzige Schmiererei oder Kritzelei der geistreichen Art "Ich war hier" (oder noch geistreicher). Wir haben sinniert: Vielleicht war ja tatsächlich keiner da, der so etwas hätte hinschmieren können...

Deshalb: Respekt, da scheint was zu funktionieren!

Premiumradweg: Luftpumpe für Fahrräder in 1a-Qualität. Alles in Ordnung, keine Schäden. So vorgefunden pumpt man sich so was gerne mal aus und durch die Anwendung auch Luft in die Reifen.

Point Of Return: 

Wir wollten die letzten 7km bis zu unserem Etappenziel abkürzen und mussten dazu unseren Bahnradweg verlassen. Die Psychodynamik der Abstimmung (umkehren oder weiterfahren) wäre ein besonderes Kapitel wert, aber wir haben ja schon weiter oben kleine Einblicke in Persönlichkeits- und Denkstrukturen unseres Radelteams gegeben (hier müsste jetzt ein Lach-Emoji stehen) 

Wir sind umgekehrt und haben den Luxus des Bahnradwegs fast bis zu unserem Ziel genutzt. Schotter kommt sicher noch genügend auf unserer Tour zum Nordkap.

Einkehr/Übernachtungsort bei John (ein Engländer) und seiner Frau (einer Schwedin) in einem alten Pfarrhaus von 1860 in einem (sehr) kleinen Ort mit Namen Börstig. John hat gekocht und uns bewirtet. Einfach die Bilder anschauen...