28. Tag, von Kielajoki nach Karasjok, 60,9 Km

Wir nähern uns unsrem Ziel. Heute mal in einem kürzeren Schritt, was Beinen und Hintern entgegenkommt. Die letzten "Meter" sind geplant und wenn nicht jetzt noch eine Panne Eintritt, werden wir am Montag am Nordkap sein!


Mit der heutigen Etappe haben wir Finnland verlassen und sind nun in Norwegen. Mal abgesehen von der kürzeren Etappe, wir sind nur die Hälfte der Kilometer von gestern gefahren, war der heutige Tag, ungeplant und unbeeinflusst, gänzlich anders: keine Schnaken (fast), keine Bremsen! Unglaublich! Das was uns wenige Stunden zuvor auf 120 Kilometern sehr gequält hat - komplett weg. Eingriff einer höheren Gewalt, die über Höllenqualen 😁 entscheide kann? Vielleicht ja, wenn wir die höhere Gewalt mit dem Wetter in Verbindung bringen - unsere Erklärung.


Der Tag begann deutlich kühler als der Vortag, es war auch bedeckt. Wie benötigten eine Jacke, Schnaken und Bremsen war es offensichtlich zu kalt zum Quälen: Warmduscher! Als es wieder schön sonnig und warm war, waren wir fast am Ziel, nur ein paar Schnaken trauten sich noch "ins Freie".

Die Grenze nach Norwegen haben wir in Karigasniemi überquert. Unspektakulär. Es gibt das übliche Ensemble von Einrichtungen an Grenzen, die keine wirklichen Grenzen mehr sind: ein leeres, "verstaubtes" Grenzhäuschen  eine Tankstelle, Toiletten und ein Restaurant für Grenzgänger, die dieses Ambiente oder den Grenzübertritt bei einer Tasse Kaffee und Souvenirs genießen wollen. Das Restaurant hat wohl schon mal bessere Tage erlebt, hier schien die Zeit ein wenig stehen geblieben zu sein, wie wir Grenzgänger bei einer Tasse Kaffee (und Souveniers 😀 nicht wirklich) erleben konnten. Die dominierende Jshreszeit scheint hier der Winter zu sein (siehe Bild). Ein bißchen passte alles in den noch trüben Tag. Uns ging's gut, der Anblick der Wegweiser (auch üblich an Grenzen) hat für uns die Sonne scheinen lassen.

Weiter ging's auf norwegischer Seite der Grenze, die sich, anders als die letzten 50 Kilometer auf finnischer Seite, als Kulturlandschaft vorstellte. War in Finnland bis zur Grenze eine moorige, zum Schluss nur mit niedrigen Bäumen und Buschwerk bewachsene Fläche zu genießen (Eindruck ging Richtung "Ende der Welt"), erfreuten gepflegte Wiesen  ein mäandernder Fluss mit ausgeprägten, hellen Sandbänken und Häusern mit angelegten Grundstücken das Auge. Es wurde wieder belebter, wie wir kurz vor unserem Zielort "Karasjok" bei einer Rast feststellen konnten. Die höhere Gewalt hatte die Höllenhunde wieder von der Leine gelassen.


Karasjok ist tatsächlich eine Stadt und deutlich sichtbar auch ein Zentrum der Samen. Auch deren Parlament "Sameting" prägt das Stadtbild. Die Kommune Karasjok hat (nachgeschlagen, darf man das heute noch so sagen 🤔) 2500 Einwohner, so dass hier überraschend für uns auch Stadtleben empfunden werde  kann.


Das letzte Bild zeigt ein Kirchlein und es drängt sich der Eindruck auf, als wäre es das Dekoelement von einer Spielzeugeisenbahn.

Heute übernachten wir großzügig und günstig: in einem ganzen airbnb Häuschen, mit Waschmaschine und Spülmaschine versehen, die wir beide auch nutzen: es ist mal wieder Reinigungstag.
Das Grundstück, auf dem dieses Häuschen steht, wäre in unserer Heimat unbezahlbar...

Worauf Wir Immer Schon Antworten Hatten...

Hubi und Caroline haben uns gestern Fragen gestellt, amüsiert haben wir darüber nachgedacht, auf einige Fragen hatten wir tatsächlich schon die Antwort parat.


Wie ist das mit unseren Fahrrädern? Beziehung? Beziehungskiste Trennungsschmerz (Bezug: Abschied von Wolfgangs defekten Fahrrad), fremdelt man mit einem neuen Fahrrad? Entwickelt sich wirklich eine sog. Mensch-Maschine-Einheit, von der die Arbeitswissenschaft spricht, man also zum Schluss gar nicht mehr unterscheiden kann, wer oder was Aktor und Reaktor ist (auch im psychologischen Sinne)?


2800km Entwicklungsgeschichte.


Also: Wir reden (noch) nicht mit unseren Rädern. Das könnte vielleicht in der Einsamkeit des hohen Nordens doch noch passieren, wenn die Gefährte zu Gefährten werden (weil ja sonst niemand da ist). Namen haben wir noch nicht (gibt's Vorschläge?), aber Konrads Firmenrad trägt immerhin den Schriftzug "dieLebkuchenbäcker" was auch schon mal auf unserer Strecke zu Nachfragen geführt hat.


Wir behandeln unsere Fahrräder pfleglich, denn wir pflegen sie alle 300-400 Kilometer und geben ihnen frisches Fett auf die Kette. Bisweilen gibt es auch sehr liebevolle Momente dieser Pflege, wenn nämlich die Kette vor dem Fetten mit einem Zahnbürstchen vom Schmutz befreit wird.


Der Trennungsschmerz mit dem einen Fahrrad ist überwunden, wissen wir doch seit zwei Tagen, dass die beiden wieder zusammenfinden werden. Dann wird alles wieder gut und die in einer Richtung (regelm. Aufmerksamkeiten) sträflich vernachlässigte Beziehung runderneuert.


Thema neues Fahrrad: Diese ist wohl mehr ein "Lebensabschnittsgefährt", für den Moment belebend, dann aber... eher was für die Seite "Aus aller Welt" mit der Überschrift " Mit dem City-Rad am Nordkap".


Das Aufsatteln am Morgen und das Absatteln am Abend haben wir noch fest in der Hand. Hierbei wird, auch im übertragenen Sinne, festgezurrt, was wie und wohin gehört. Damit ist klar, wer in dieser Hinsicht das Sagen hat.


Schnaken und Gewöhnung? Nein, nicht bei dieser Tour und vielleicht auch nicht mehr in unseren Leben. Es mag ja sein, dass es gewisse Menschen gibt, die entweder anlage- oder umweltbedingt eine gewisse Unempfindlichkeit diesen Tierchen gegenüber entwickeln. Dürfen sie auch, gönnen wir ihnen.

Bei Stefan scheint möglicherweise die Unempfindlichkeit gegenüber Schnaken schon weiter fortgeschritten zu sein. Gönnen wir ihm!


Die Rentierpasta hat gut geschmeckt, war auch gut zubereitet. Beim Urteil muss man allerdings den einfachen Nudelesser vom Experten unterscheiden. Die Aussage des durchschnittlichen Nudelessers könnte sein: Und wo war das Rentier? Der Experte formuliert: Schmeckt wie Wild, ist aber Rentier.


Sonne Hinterm HAUS

Wenn's woanders bereits dunkel ist.


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Kommentare: 7
  • #1

    Daniele (Freitag, 30 Juni 2023 08:54)

    Die Spannung steigt!! Weiterhin viel Spaß und und Kette rechts! Eine Frage: schleppt ihr die Flasche mit einem prickelnden Getränk für die Ankunft mit??? Viele Grüße aus W.

  • #2

    Konrad (Freitag, 30 Juni 2023 09:15)

    Ja, so ungefähr, wir schleppen drei kleine Fläschchen mit.

  • #3

    Magdalena, Franzi & Johanna (Freitag, 30 Juni 2023 11:05)

    Die drei Prosätscho-Schwestern freuen sich schon auf ein Bild von der prickelnden Ankunft! Wir wünschen Euch einen guten Endspurt!
    Liebe Grüße aus Südfrankreich, München und Landshut (bei der LaHo wartet dann die große Flasche)

  • #4

    Hubi (Freitag, 30 Juni 2023 14:18)

    Es ist soweit! : das Nordkap ist von jetzt an ausgeschildert!
    Danke für die Beantwortung unserer Fragen! Wir sind nun beruhigt, dass Ihr es doch noch nicht Tom Hanks in ‘Cast Away’ gleichtut (Wilson!).
    Sehr interessant Eure Beschreibung der abrupt wechselnden Anmutung der Umgegend beim Grenzübertritt nach Norwegen. Sollte hier das gute Erdöl-Geld der Norweger vielleicht eine gewisse Rolle spielen….? Wie dem auch sei, der Kaffe im Restaurant am Ende des Universums scheint geschmeckt zu haben!
    Am meisten aber hat uns an Eurem heutigen Blogeintrag gefreut, dass jenes höhere Wesen, dass wir verehren (wo kommt das jetzt wieder vor…?) , Euch einen schnaken/bremsenfreien Tag geschenkt hat und auch die Unterkunft den Luxus bot, den Ihr Euch so wohl verdient habt! Hoffentlich bleibt es so!

    Also, jetzt nicht mehr verfahren und auf plötzlich kreuzende Touristen achtgeben!
    Hubi & Caroline

  • #5

    Heiko Knapp (Freitag, 30 Juni 2023 19:22)

    Hallo,
    ich finde es immer wieder toll euren Blog zu lesen. Ich glaube das werde ich ab nächster Woche vermissen.
    Ich bin aber auch immer wieder überwältigt von eurer Leistung. Ich ziehe denn Hut und drücke die Daumen für die letzten Tage.

    Heiko

  • #6

    Korbinian (Freitag, 30 Juni 2023 20:21)

    Endspurt! Tolles Abenteuer und eine sehr respektable Leistung!
    Das ist erst der Anfang..

  • #7

    Ralf (Freitag, 30 Juni 2023 23:07)

    Auch ich verfolge eure letzten Etappen. Es ist spannend, als follower dabei zu sein.
    LG Ralf